WHALY – VOM feuerwehrfahrzeug zum EXPEDITIONSMOBIL
Hallo; mein Name ist Whaly.
Ein abenteuerlustiger und reisefreudiger Mercedes AF 1120. Meine Besitzer – Linda und Sandro – haben mich bei der Feuerwehr in Wolfwil gefunden. Als TLF war ich mit 25’000 km ein alter Knabe, für Howis gerade im richtigen Alter, um in ein Expeditionsmobil umgebaut zu werden. Getauft wurde ich auf Whaly, welche die beiden an eines Ihrer Lieblingstiere unter Wasser erinnert: den Walhai.
Vorher
Nachher
Fahrzeugwahl
Die wichtigste Frage ist diejenige nach dem Fahrzeug. Diese ist nicht einfach und sollte gut überlegt sein. Immerhin handelt es sich um dein Haus auf 4 Rädern für die nächsten Jahre. Jede Variante hat natürlich – wie meistens im Leben – seine Vor- und Nachteile. Grundsätzlich muss jeder diese Entscheidung für sich treffen, denn die Bedürfnisse sind unterschiedlich. Folgende Kriterien können dabei eine Rolle spielen.
Kriterien
- Führerprüfung
- Treibstoffverbrauch
- Gas
- Komfort
- Grösse
- Spannung 12V/24V
- Unterhaltskosten
- Allrad
- Bodenfreiheit
- Zuladung
- Autark JA/NEIN
- Verfügbarkeit Ersatzteile
- Wassersystem
Führerprüfung
Gas
Autark Ja/ Nein
Wassersystem
Treibstoffverbrauch
Spannung 12V/24V
Zuladung
Verfügbarkeit Ersatzteile
Komfort
Unterhaltskosten
Bodenfreiheit
Grösse
Reiseländer
Allrad
Ihr seht, es gibt viele Pro und Contras, wobei die Auflistung nicht abschliessend ist. Die folgenden Kriterien waren in unserem Falle ausschlaggebend: Komfort, Zuladung, Allradtauglichkeit und mind. 10 Tage am Stück autark leben. Der Allrad-LKW kristallisierte sich schnell als einzige Option heraus, somit nahmen wir auch einige Nachteile in Kauf. Ausserdem ist es davon abhängig, wohin dich die Reise führt als auch wie lange du unterwegs sein willst.
Fahrzeugsuche: Die Qual der Wahl
Fällt die Entscheidung auf ein Fahrzeug über 7.5T, gibt es einige mögliche Hersteller. Üblicherweise handelt es sich um ausgemusterte Feuerwehr- oder Militärfahrzeuge. Ob Mercedes, MAN, Steyr, Iveco, Unimog: Das Angebot ist vorhanden – allerdings braucht es auch Glück, eines der raren Fahrzeuge abzustauben. Auf welchen Hersteller die Wahl fällt, ist abhängig von verschiedenen Fragestellungen: Geldbeutel, Allrad-Tauglichkeit, gewünschte Kabinengrösse, Verfügbarkeit von Ersatzteilen und mögliche Bereifung.
Der Mercedes offenbarte sich als unser Traumfahrzeug. Angesichts der weltweiten Verfügbarkeit von Ersatzteilen, der möglichen Kabinenlänge bis 5m sowie des 6 Liter Motors (anstatt 12l) war die Entscheidung gefallen. Einer der drei Typen (1017, 917 oder 1120) sollte es sein. Erfreulicherweise haben wir mit Whaly aus Wolfwil einen 1120 erwischt, welcher hinsichtlich des Gewichtes und der PS-Stärke der Favorit war.
Einige Basisfahrzeuge eignen sich dafür unter 7.5T Gesamtgewicht zu bleiben. Dies allerdings nur mit komplettem Leichtbau. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass die Limite schnell erreicht ist – zu schnell. Demzufolge haben wir darauf verzichtet, bei allen Teilen (inkl. Kabine) strikt auf das Gewicht zu achten. Die Konsequenz ist die schwerere Motorwagen-Prüfung C anstatt C1. Da die Führerprüfung eine einmalige Angelegenheit ist, das Fahrzeug jedoch eine lebenslängliche, entsprach dies der besseren Alternative für uns.
Judith vom Drive Center Belp hat uns mit einer solchen Gelassenheit unterrichtet, dass jede einzelne der rund 35 Fahrstunden Spass gemacht hat. Etwas völlig Neues zu lernen hat definitiv seinen Reiz. Nach erfolgreich bestandener Prüfung freuen wir uns auf eine freie Fahrt im LKW. Danke für die super Betreuung Judith!
Fahrzeugumbau: Weg mit dem Feuerwehraufbau
Nachdem die Planungsphase beendet ist, kann die Arbeit beginnen. Die Demontage des Feuerwehraufbaus, das Entrosten des Fahrzeugs sowie die Abänderung von Doppel auf Einfachbereifung haben wir allerdings dem Profi überlassen. Nicht nur die fehlende Halle und Maschinen, sondern auch das gute Preis/Leistungsverhältnis haben uns dazu bewogen, dies an Benno von Basisfahrzeuge.ch zu übergeben. Angekommen in Chur hat Whaly während rund 4 Wochen eine komplette Verwandlung erlebt. Definitiv der richtige Entscheid, diese Arbeit nicht selbst durchzuführen.
Für eine Langzeitreise unabdingbar ist auch ein technisch einwandfreies Fahrgestell. Frisch entrostet und halbnackt haben wir Whaly daher von Chur nach Belp zur ABAG verschoben. Mit einem revidierten Motor, ersetzten Keilriemen sowie einem neuen Diesel-Tank fühlt sich Whaly einsatzbereit. Obwohl diese Arbeiten nicht günstig waren, gibt es ein beruhigendes Gefühl. Ein zuverlässiges und robustes Fahrzeug ist das A und O. Natürlich ist auch die Optik wichtig. Nachdem wir die RAL-Kalender durchgeblättert haben, fiel der Entscheid auf einen Grauton. Mit dem Ergebnis sind wir glücklich und bereit für den nächsten Arbeitschritt.
Kabinenaufbau: Endlich steht das Leergehäuse
Die Wahl der Kabine gleicht einer Glaubensfrage – und erneut einer, welche stark vom Budget abhängig ist. Soll diese aus Aluminium oder lieber aus GFK (Glasfaserverstärkter Kunststoff in Sandwichplatten) bestehen? Die Offroad-Messe „Abenteuer Allrad“ bietet die perfekte Möglichkeit für Beratung und Inspiration. Zwei Jahre in Folge reisten wir nach Bad Kisslingen. Pro und Contras abgewälzt, die verschiedenen Anbieter verglichen und erste Angebote eingeholt – eine Messe bietet die ideale Plattform hierzu. Gewonnen hat in unserem Falle die GFK Kabine – dank der Isolierfähigkeit und der Möglichkeit, Beulen auszubessern. Früher oder später werden diese Realität werden. Ein fertiger Shelter (zum Beispiel von einem Militärfahrzeug) zu verwenden, bietet eine kostengünstigere Alternative.
Der Entscheid fällt auf die Firma Ormocar in Hauenstein (D). Schweizer Anbieter kamen aufgrund des hohen Preisunterschiedes nicht zum Tragen. Von anderen Anbietern wurden wir an deren Ausstellungsständen völlig ignoriert – ebenfalls keine Basis für eine Zusammenarbeit. Ormocar hat sich viel Zeit genommen und geduldig unsere Fragen beantwortet. Ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis sowie viele gelungene Referenz-Objekte bekräftigten unsere Wahl. Einige Entscheidungen müssen getroffen werden für die Planung der Leerkabine
Grundriss
Während der intensiven Vorbesprechung in Hauenstein klärten wir die wichtigen Fragen und besprachen die von uns gezeichneten Plänen. Nach Campingerfahrungen in Australien und der Schweiz war für uns klar, dass wir den U-Sofa Grundriss bauen. Das grosszügige Raumgefühl in Eingang und Küche sowie die Möglichkeit, sich bequem auszubreiten und die Füsse hochzulegen waren ausschlaggebend. Der Entschluss hat sich in der Praxis definitiv bestätigt.
Fenster
Ein Thema, welches Kopfzerbrechen bereitet sind die Fenster. Sollen es wirklich die teuren, aber qualitativ hochwertigen, KCT-Fenster sein? Höchstes Isolationsmass, komplett staubdicht, stabile Metallverriegelung, einbruchhemmendes Echtglas, Schutz vor Steinschlag, perfekte Moskito-Abriegelung und dunkle Nächte dank hochwertigen Insekten- und Verdunklungsrollos; ja, das hat seinen Preis. Schlussendlich ringen wir uns durch da es für uns der falsche Ansatz zum sparen war.
Kabinendurchbruch
Wo wir hingegen ein paar (tausend) Franken gespart haben, ist beim Kabinen-Durchbruch. Argumente wie Sicherheitsaspekte, verkürzte Toilettenpause und trockene Verschiebung bei Regen überzeugten uns nicht genügend. Die Praxis wird es zeigen. Sollten wir den Entscheid bereuen, ist das Positive, dass der Durchbruch auch nachträglich eingebaut werden kann.
Viele Besprechungen, E-Mails und einige Fahrten nach Hauenstein später war es soweit. Wir durften unseren Whaly abholen und zurück in die Schweiz bringen für den Innensaubau. Mit der Arbeit von Ormocar sind wir sehr zufrieden.
Innenausbau: Die Arbeit beginnt erst richtig
Aufgeregt und ehrfürchtig stehen wir in unserer Leerkabine und denken an die hunderte von Arbeitsstunden, welche vor uns stehen. Den Innenausbau selbst zu bewerkstelligen erfordert sehr viel Zeit, Geduld, Durchhaltewillen, Kreativität und viel technisches Verständnis. Glücklicherweise erfüllt Sandro all diese Eigenschaften. Dadurch können wir sehr viel Geld sparen. Nicht zu verachten ist auch die Tatsache, dass wir im Detail wissen, welche Teile wo eingebaut sind. Das erleichtert die Reparaturen enorm.
Die Materialliste – ein weiterer Part, welcher Stunden verschlungen hat – ist schon lange komplett. Welche Heizung, was für ein Wasserfilter-System, Anzahl und Stärke der Solarpanel, Kühlbox oder Kühlschrank? Teilweise hatten wir das Gefühl, wir bauen ein Einfamilienhaus. Angeliefert zu Hause füllt das Material locker ein Zimmer. Die Arbeit kann losgehen. Bereut haben wir bisher nur eine Wahl; die Chemie-Toilette. Heute würden wir eine Trockentoilette (Air-Head Composting Toilette) einbauen. Diese haben wir nachträglich ausgewechselt und sind sehr glücklich über diesen Entscheid. Keine Chemie, kein Wasser und einfaches Entsorgen werden uns das Leben im Camper vereinfachen.
Relevant bei einem Selbstausbau ist auch die Verfügbarkeit eines geeigneten Stellplatzes und der nötigen Maschinen. In diesem Punkt konnten wir uns glücklich schätzen. Mit der Schreinerei „Stalder Küchen“ sowie der Schweisserei „Thierstein Metalltechnik“ haben uns zwei Firmen (beide befreundet mit Sandro) enorm unterstützt. Ohne diese Infrastruktur wäre der Ausbau sehr umständlich geworden. Aufgrund dessen, dass das Fahrzeug noch nicht geprüft ist, kann es nicht verschoben werden. Mit Stalder Küchen hatten wir zudem den idealen Partner für die Fertigung der Holzmodule/Schränke. Uns war wichtig, dass die Qualität stimmt und der optische Eindruck passt, weswegen wir die Möbel herstellen liessen, um Sie anschliessend selber zu verbauen
Inklusive der Planung investierten wir total 5 Jahre in das Projekt. Gekauft haben wir das Feuerwehrfahrzeug im Januar 2017. Geprüft wurde es im August 2018. Wirklich fertig ist so ein Expeditionsmobil wahrscheinlich nie – es gibt immer kleine Baustellen. Das ist es aber auch, was das Projekt so spannend macht. Im Januar 2021 ist Whaly nun bereit, die grosse Reise anzutreten.
© Howis-web